Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) by Gabor Steingart

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) by Gabor Steingart

Autor:Gabor Steingart [Steingart, Gabor]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-04-21T22:00:00+00:00


Die Gier nach Gegenwart – die Schuldenrepublik entsteht

»Jede Übertreibung, jeder Exzess, jede Maßlosigkeit schafft sich eine Gegenbewegung«, sagte der frühere Finanzminister Peer Steinbrück nach dem Ausbruch der Finanzkrise. Schön wäre es, wenn er recht behalten sollte. Aber im Falle der intimen Beziehungen von US-Banken und US-Regierungspolitikern ist diese Gegenbewegung bisher ausgeblieben. Die Finanzwelt der Wall Street ist Teil der Regierung, und die Regierung ist Teil der Finanzwelt. Die einen können ohne die anderen gar nicht mehr leben.

In den 80er Jahren folgte auch der Rest der westlichen Welt dem amerikanischen Vorbild. Als auch in Westeuropa die Wachstumsraten abflachten, begann man, Wohlstand in hohen Dosen auf den Kapitalmärkten dazuzukaufen. Das Volumen der in Umlauf befindlichen Staatspapiere hat sich allein in den vergangenen 20 Jahren mehr als versechsfacht. Betrugen die Außenstände aller Staaten Ende der 80er Jahre erst 7,35 Billionen Dollar, sind es heute 44,6 Billionen Dollar. Den Banken, das war eines der frühen Gegengeschäfte, erlaubte man ihre Eigenkapitalquoten abzusenken und deutlich höhere Risiken in ihre Bücher zu nehmen.

Weltweit begann nun der Aufstieg jener bankähnlichen Institutionen, die ohne Bankschalter und ohne Eigenkapital auskommen. Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften stiegen aus der Nische des Finanzsystems in deren Zentrum auf. Die Politik rollte jenen Männern und Frauen, die SPD-Chef Franz Müntefering später »Heuschrecken« nennen sollte, den roten Teppich aus.

Ende 2001 beschloss die rot-grüne Bundesregierung in Berlin das vierte Finanzmarktförderungsgesetz. Was so harmlos klingt, öffnete der bis dahin in Deutschland verbotenen Hedgefonds-Industrie die Tür. Die Regierung lockerte die Anforderungen für den börslichen Handel, erweiterte die Anlagemöglichkeiten von Fonds und gestattete den Derivatehandel auch im Immobiliengeschäft.

Die konservative Opposition opponierte nicht, sondern feuerte die Regierung an. Rot-grün ließ sich nicht lange bitten: Wer modern war, gab sich in diesen Tagen als beherzter Deregulierer, die Wirtschaftsmedien eingeschlossen. Am 7. Mai 2003 brachten SPD und Grüne ihren Antrag »Finanzplatz Deutschland weiter fördern«, Drucksache 15/930, im Bundestag ein, unterschrieben von Fraktionschef Franz Müntefering.

Es sei »darauf zu achten, dass unnötige Belastungen für die Unternehmen der Finanzdienstleistungsindustrie vermieden werden«, hieß es in dem Text der Drucksache. Regulierung sei »kein Selbstzweck«. Die Bundesregierung solle »weitere Maßnahmen zur Schaffung eines leistungsfähigen, international wettbewerbsfähigen Verbriefungsmarktes in Deutschland prüfen«.

Bedenkenträgern trat die sozialdemokratische Führung in Gestalt von Finanzminister Hans Eichel entgegen. Man wolle es den Anlegern ermöglichen, »von den höheren Renditen der Hedgefonds zu profitieren«, so Eichel. »Wir können das Geld, das in diesem Land ist, nicht davon abhalten, sich irgendwo auf der Welt zu bewegen«, ergänzte Müntefering.

Die Berliner Regierung wechselte von rot-grün zu rot-schwarz, die freundschaftliche Stimmung gegenüber den Banken blieb. Die nun folgende Große Koalition las der Geldelite die Wünsche förmlich von den Augen ab. Im Herbst 2005 verabschiedete man unter Federführung des künftigen SPD-Finanzministers Steinbrück einen Koalitionsvertrag, in dem nicht von der »Aufspaltung der Deutschen Bank« (Steinbrück 2012), sondern von »Produktinnovationen und neuen Vertriebswegen«, von »Bürokratieabbau« bei der Finanzmarktregulierung, dem »Ausbau des Verbriefungsmarktes« und einer »Aufsicht mit Augenmaß« die Rede war. Politik und Banken standen für jedermann erkennbar Händchen haltend beieinander.

Für die Banken entstanden paradiesische Verhältnisse, weil man ihnen nach und nach gestattete, die kostspielige Risikovorsorge einzustellen.



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